Ideen für die Arbeit mit Jugendlichen

Ideen für die Arbeit mit Jugendlichen

Bei der Arbeit mit Jugendlichen zum Thema Widerstand ist es hilfreich, interaktive Tools, Methoden und pädagogische Impulse zur Hand zu haben, um den Gruppenprozess in Gang zu halten und die Teilnehmenden in die Diskussion zu integrieren. In diesem Abschnitt haben wir einige kürzere und umfangreichere Methoden zusammengestellt, die Sie in der Arbeit mit Jugendlichen einsetzen können.

Bevor Sie sich in die Übungen stürzen, ist es oft hilfreich, mit Starter-, Eisbrecher- oder Energizer-Aktivitäten zu beginnen. Sie helfen dabei, die Gruppe aufzuwärmen und geben den Teilnehmer*innen die Möglichkeit, sich besser kennenzulernen. Hier sind einige Einstiegsaktivitäten gesammelt:

350.org: Treffen spannender machen – Spiele zum Kennenlernen und Auflockern
https://de.trainings.350.org/?resource=gamesenergizersdynamicas

Council of Europe: Starters
https://www.coe.int/en/web/compass/starters

 

Übung: Welche Widerstandsform passt zu mir?

Dauer: 30 min

Ablauf

Fragen Sie die Gruppe, welche Formen des Widerstands sie kennen. Sammeln Sie die Beispiele (mögliche Beispiele, die sie kennen: Streiks, Demonstrationen/Proteste, Leserbriefe an eine Zeitung usw.), indem Sie sie auf Post-its oder Karten schreiben und auf ein Flipchart, ein Whiteboard, eine Kreidetafel usw. kleben.

Vervollständigen Sie die Liste. Stellen Sie die folgenden Formen des Widerstands vor, falls sie noch nicht erwähnt wurden. Erläutern Sie jede Widerstandsform kurz und ermutigen Sie die Gruppe, Fragen zu stellen, wenn sie welche haben. Jede Form von Widerstand kann auch in die Post-it-Sammlung aufgenommen werden.

Beispiele für gewaltfreien Widerstand

  • Briefe an die Presse oder an Politiker
  • Lieder
  • Demonstrationen
  • Straßentheater
  • Mahnwachen
  • Streiks
  • Ziviler Ungehorsam (Steuern nicht zahlen, unerlaubte Demonstrationen, Blockaden, …)
  • Sammeln von Beweisen für den Holocaust im Nationalsozialismus, z. B. in Form von Fotos, Zeichnungen, Briefen, …
  • Reden und Predigten
  • Verweigerung des Militärdienstes
  • Blockaden (Straßenblockaden, Gleisblockaden)
  • Besetzungen (Hausbesetzungen, Landbesetzungen, Baumbesetzungen mit Baumhäusern)

Beispiele für gewaltsamen Widerstand

  • Sachbeschädigung, z. B. Sabotage
  • Attentate und Anschläge
  • Bewaffneter Kampf
  • Kämpfe im bewaffneten Widerstand, z. B. die italienischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg

Der Unterschied zwischen gewaltfreiem und gewaltsamem Widerstand ist entscheidend. Es ist wichtig, diesen Unterschied gut zu erläutern, insbesondere die Bedeutung und mögliche Legitimation des gewaltsamen Widerstands. Dies und weitere theoretische Grundlagen finden Sie in der EINLEITUNG unter „Arten des Widerstands“.

Methode

Wählen Sie aus dieser Liste 5-10 Widerstandsformen aus (es ist ratsam, Widerstandsformen mit unterschiedlichem Risikograd zu wählen) und führen Sie eine soziometrische Aufstellung durch:

Schaffen Sie Platz im Raum, damit die Teilnehmer*innen in einer langen Reihe stehen können.

  • Erklären Sie, dass ein Ende des Raumes die Antwort darstellt: „Ich kann mir sehr gut vorstellen, diese Form des Widerstands selbst zu praktizieren, wenn es unbedingt nötig wäre“.
  • Das andere Ende des Raumes steht für die Antwort: „Diese Form des Widerstands ist für mich viel zu riskant. Ich könnte mir nicht vorstellen, dies zu tun, egal unter welchen Umständen“.

Der Raum zwischen den beiden Polen stellt ein Kontinuum dar. Erklären Sie der Gruppe, dass Sie für jede Karte, die Sie vorlesen, möchten, dass die Teilnehmer*innen je nach ihrer Antwort eine Position im Raum einnehmen.

Unsere empfohlene Auswahl:

  • Briefe an die Presse oder an Politiker
  • Demonstrationen
  • Streiks
  • Sachbeschädigung, z.B. Sabotage
  • Blockieren eines Flugzeugs, mit dem Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden, wo ihnen Folter oder Tod drohen
  • Kämpfen im bewaffneten Widerstand, z. B. bei den italienischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg
  • Einen Mann in einem Bus ansprechen, der rassistisches Verhalten zeigt

Wenn Sie fertig sind, bitten Sie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich wieder zu setzen und über ihre Antworten nachzudenken.

Diskussion

  • Welche Aktionen waren zu riskant? Warum?
  • Gab es irgendwelche Überraschungen?
  • Haben sie einige dieser Aktionen bereits durchgeführt?
  • Könnten sie sich jetzt vorstellen, eine bestimmte Aktion durchzuführen, die sie sich vorher nicht vorstellen konnten?
  • Kann gewaltsamer Widerstand jemals gerechtfertigt sein? Wenn ja, wann?
  • Gibt es heute noch Widerstandskämpfer?
  • Was wäre für Sie ein Grund, Widerstand zu leisten?
  • Ist Greta Thunberg eine Widerstandskämpferin?

Quelle: Entwickelt von Zentrum polis, 2023.

 

Übung: Improtheater

Dauer: 15-20 min

Beschreibung

Ordnen Sie die Sitze im Raum so an, dass sie alle in die gleiche Richtung zeigen. Lassen Sie einen Platz für die „Bühne“ frei. Sie sitzen nun in einem Theater! Lesen Sie das erste Szenario vor. Fragen Sie dann in der Gruppe, ob jemand den Rest der Szene vorspielen möchte.

Szenarien:

  • Eine Familie findet einen Kriegsdeserteur in ihrem Bauernhaus; die Familienmitglieder haben unterschiedliche Einstellungen und diskutieren, ob er bleiben darf oder nicht. Wenn der Kriegsdeserteur gefasst wird, droht ihm die Todesstrafe. Wenn die Familie dabei erwischt wird, wie sie ihn versteckt, droht ihnen allen die Todesstrafe.
    (Rollen: Deserteur, Mutter, Vater, Tochter, Onkel, Nachbar)
  • Der Vater hört jeden Abend einen oppositionellen Radiosender. Die Mutter ist der Meinung, dass die Familie von dem gewalttätigen Regime überwacht wird und dass es besser wäre, wenn er damit aufhört. Das Hören dieses illegalen Senders kann zu polizeilicher Folter führen.
    (Rollen: Vater, Lebensgefährtin des Vaters, Sohn, Tante)
  • Zwei Teenager diskutieren darüber, ob sie ihren Eltern sagen sollen, dass sie Flugblätter gegen die Nazis verteilen. Sie wollen ihre Eltern nicht anlügen, aber sie wollen auch nicht, dass sie sich Sorgen machen. Und sie sind sich nicht sicher, ob die Eltern auch gegen die Nazis sind.
    (Rollen: Mutter, Vater, zwei Teenager)

Es ist auch möglich, sich andere Szenarien auszudenken oder sie zu erweitern, indem man zu jedem Szenario andere Rollen hinzufügt (andere Familienmitglieder, der Anwalt und Berater der Familie, ein neugieriger Nachbar usw.) – lassen Sie einfach Ihre Fantasie spielen!

Nach etwa 5 Minuten kann man die Szene zu unterbrechen. Danken Sie den Schauspieler*innen für ihren Mut, auf die Bühne zu gehen! Nach dem ersten Szenario können Sie mit dem nächsten fortfahren.

Reflektion in der Gruppe

  • Was konnte das Publikum sehen?
  • Wie fühlte es sich für die Schauspieler an, in ihren Rollen zu sein?
  • Gab es einen besonders herausfordernden Moment?
  • Gab es einen überraschenden Moment?
  • Kennen sie ein ähnliches Beispiel aus dem wirklichen Leben?

Quelle: Entwickelt von Zentrum polis, 2023.

 

Übung: Filmdiskussion

Dauer: 30-45 min

Beschreibung

Schauen Sie den kindergerechten Film: Triff… – Anne Frank. Deutschland, 24:45 min.
Untertitel in über 50 Sprachen verfügbar.

https://youtu.be/ceaBZbDqLJE

Alternativ können Sie auch eine andere audiovisuelle Quelle aus dem Abschnitt „Nützliche Ressourcen“ auswählen (z. B. Zeugenbefragungen) und die Diskussionsfragen entsprechend anpassen.

Diskussion

Nachdem Sie den Film (oder einen Ausschnitt daraus) gesehen haben, diskutieren Sie mit den Teilnehmern die folgenden Fragen:

  • Worum ging es in dem Film?
  • Was hat euch beeindruckt?
  • Welche Themen aus der Vergangenheit wurden angesprochen?
  • Welche Themen wurden erwähnt, die heute noch relevant sind?
  • Was war die Hauptbotschaft des Films?
  • Was hat das Beispiel von Anne Frank mit den Menschenrechten zu tun? Welche von Anne Franks Menschenrechten wurden missbraucht? (Siehe Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: https://www.un.org/en/about-us/universal-declaration-of-human-rights )
  • Was hätten Sie in Anne Franks Situation getan? Hätten Sie eine andere Form des Widerstands gewählt? Erklären Sie, warum.

Quelle: Entwickelt von Zentrum polis, 2023.

 

Übung: Reflektieren über den rebellischen Moment der Demokratie

Dauer: 30-60 min (je nach Kontext)

Ziele

Ziel dieser Übung ist es, die (Selbst-)Reflexion und kritische Analyse des politischen Umfelds, der eigenen Position in der Gesellschaft, der Handlungsmöglichkeiten und der Machtverhältnisse zu schärfen. Die Methode soll dazu anregen, über Mut, Unterdrückung, alltägliche Machtverteilung, strukturelle Diskriminierung, die eigene Biographie in Bezug auf das Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit oder Autoritarismus und die daraus resultierenden Folgen nachzudenken. Der demokratische Moment ist der Moment, in dem eine Person ihre eigenen Mitspracherechte einfordert und sich gegen Unterdrückung wehrt – oder dies für andere tut.

Beschreibung

Bei dieser Methode gibt es zwei Varianten. Bei der ersten Variante beschreibt der Moderator (Jugendarbeiter) bestimmte Situationen, in denen Menschen ungerecht behandelt, unterdrückt oder diskriminiert werden. Dies kann durch kurze Videos, Karten, Comics oder Kurzgeschichten dargestellt werden. Ein Teil der TeilnehmerInnen versucht dann, sich in die Lage dieser Menschen zu versetzen und überlegt sich Handlungsoptionen. Diese werden in Kleingruppen erarbeitet und dann den übrigen Teilnehmern vorgestellt. Die anderen erarbeiten Szenarien von Reaktionen. Was kann gelingen, welche Folgen sind zu erwarten? Diese Übung kann durch Geschichten über reale Fälle von Widerstand illustriert werden.

Beispiele für Diskriminierung:

  • Ein Mann bestellt an der Bar einen Kaffee. Die Kellnerin antwortet: „Es tut mir leid, wir servieren Ihrer Sorte Leute keinen Kaffee“.
  • Eine ältere Frau mit abgetragener Kleidung spricht eine andere Frau an, die auf einer Parkbank sitzt. Sie fragt die Frau auf der Bank, ob sie etwas Kleingeld entbehren könne. Die sitzende Frau antwortet: „Ich habe nichts für euch Leute. Vielleicht wäre es besser, wenn Sie in Ihr eigenes Land zurückgehen würden.“
  • Eine Frau steht auf der Straße. Ein Auto fährt vor und hält neben ihr. Ein Mann, der auf dem Beifahrersitz sitzt, streckt seinen Kopf aus dem Fenster und ruft ihr zu: „Hey Süße, du siehst heute aber gut aus!“
  • Ein Mann sitzt auf der Straße und bettelt um Geld. Zwei Polizisten gehen auf ihn zu und fordern ihn auf, die Straße zu verlassen, weil er die Kunden der benachbarten Modeboutique belästigt.

Bei der zweiten Variante überlegen die Teilnehmer selbst, in welchen Momenten sie widerspenstig waren oder sich gegen die Autorität aufgelehnt haben, aber auch wann sie es nicht waren und warum. Mögliche Konsequenzen sollten immer diskutiert werden. Im Anschluss an die Beispiele sollte eine allgemeine Diskussion über die Frage stattfinden, wann es notwendig und möglich ist, sich demokratisch gegen Autoritarismus, Diskriminierung und Ungerechtigkeit aufzulehnen.

Einsatz in der Jugendarbeit
Erste Rückmeldungen von Jugendbetreuern im Rahmen unseres Projekts zeigen, dass die Methode zumindest teilweise auch in einem informellen Kontext ohne viele formale Anforderungen angewendet werden kann. Dennoch bietet ein formellerer Kontext (d. h. zumindest ein Raum, in dem eine Gruppe ungestört diskutieren kann) mehr Möglichkeiten. In jedem Fall ist es wichtig, auf die Handlungsmöglichkeiten hinzuweisen, die die Teilnehmer in einem bestimmten Kontext haben. Es ist zwar wichtig, das Bewusstsein für ungerechte Machtverhältnisse zu schärfen, dies sollte aber nicht in einem Gefühl der Ohnmacht enden, sondern im Gegenteil den Mut stärken, sich in verschiedenen Situationen zu engagieren.

Quelle: Pausch, M. (2019). Democracy Needs Rebellion, Theoria, 66(161), 91-107.
Aus: https://www.politik-lernen.at/demokratiebildung-gegen-antidemokratische-tendenzen

 

Textnachricht an Opfer von Hassreden

Duration: 30 min

Ziel

Ziel ist es, sich in die Lage der Opfer von Mobbing, Hassreden, Drohungen oder Diskriminierung zu versetzen und zu überlegen, welche Worte Trost spenden könnten. Die Stärkung der Opfer ist ein wichtiger Aspekt der Bekämpfung von Hassreden und des Aufbaus von Resilienz.

Beschreibung

Der Trainer/die Trainerin beschreibt einen Fall von Hassrede, bei dem ein junger Mensch diskriminiert oder beleidigt wurde. Die TeilnehmerInnen denken nach und formulieren Textnachrichten, um die Person zu trösten und ihr Kraft zu geben. Sie zeigen ihre Solidarität durch diese Texte. Anschließend diskutieren sie, welche Textnachrichten besonders erfolgreich sind und auf welche Fehler man achten sollte.

Einsatz in der Jugendarbeit
Die Methode ist für die Sozialarbeit geeignet und kann dort an realen Beispielen erprobt werden. Der formale Rahmen ist nicht sehr wichtig, aber es sollte darauf geachtet werden, dass es Raum für Diskussionen gibt.

Quelle: Vorgestellt von Reinhard Leonhardsberger vom Verein SOS Menschenrechte.
Aus: 
https://www.politik-lernen.at/demokratiebildung-gegen-antidemokratische-tendenzen

 

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