Mit seiner angekündigten Enthaltung zum fertig verhandelten EU-Lieferkettengesetz stellt Wirtschaftsminister Kocher die Interessen von Wirtschaftsverbänden über den demokratischen Gesetzgebungsprozess der EU-Institutionen und gefährdet einen einheitlichen Rechtsrahmen, der gewährleisten würde, dass für alle Unternehmen die gleichen Regeln gelten.
„Die Enthaltung von Wirtschaftsminister Kocher basiert auf Scheinargumenten und ist eine inakzeptable demokratiepolitische Farce, die die Gesetzgebungsprozesse der EU in Frage stellt. Hier wird Industrie-Lobbying vor die Interessen der Bevölkerung und jener Unternehmen gestellt, die bereits nachhaltig produzieren und gleiche Spielregeln für alle fordern“, sagt Konrad Rehling, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Südwind.
Kochers Forderung, auf europäischer Ebene nochmal nachzuverhandeln, ignoriert den Umstand, dass es sich bei dem vorliegenden Text um einen Kompromiss handelt, der nach jahrelangen Verhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und den Mitgliedsländern zustande kam. Die österreichische Bundesregierung war stets in den Gesetzgebungsprozess eingebunden.
Studie zeigt positive Effekte für heimische Unternehmen
“Dass die österreichischen Wirtschaftsverbände mit dem Ergebnis unzufrieden sind, ist kein valides Argument, um die Gesetzgebungsprozesse der EU in Frage zu stellen”, kritisiert Bettina Rosenberger, Koordinatorin der Kampagne “Menschenrechte brauchen Gesetze” und Geschäftsführerin des Netzwerks Soziale Verantwortung (NeSoVe). “Es ist schockierend, dass die ÖVP, als Partei, die sich lange als seriöse Europa-Partei verkauft hat, gerade in einem Wahljahr dazu bereit ist, die Spielregeln der EU zu missachten.”
Bei Wirtschaftsminister Kochers angeführten Gründen für die Enthaltung handelt es sich um reine Scheinargumente. Dass sich das EU-Lieferkettengesetz positiv auf österreichische und EU-Unternehmen auswirken würde, zeigt auch eine jüngst durchgeführte Studie der AK. Darauf verweist der Mitautor der Studie und Fachbereichsleiter für Volkswirtschaft an der FH des BFI Wien, Johannes Jäger, Prof (FH): “Ein verengter Fokus allein auf mögliche Kosten verstellt den Blick auf Chancen und die insgesamt positiven ökonomischen Effekte sowohl für europäische Unternehmen als auch die Menschen im Globalen Süden. Nur größere Unternehmen sind von der Richtlinie direkt erfasst. Diejenigen Unternehmen, die sich bereits jetzt um nachhaltige Lieferketten bemühen, werden damit vor unlauteren Wettbewerb durch jene geschützt, die sich nicht um Menschenrechte und Umwelt kümmern. Kleinere und Mittlere Unternehmen können davon sogar profitieren. Überdies sind für diese im Rahmen des Artikels 7(2)(d) der Richtlinie (CSDDD) falls nötig finanzielle Unterstützungsmaßnahmen vorgesehen.“
Rückfragehinweis:
Bettina Rosenberger
Kampagnenkoordinatorin „Menschenrechte brauchen Gesetze!“
+43 660 8835409
bettina.rosenberger@nesove.at
c/o Netzwerk Soziale Verantwortung
Stefanie Marek
Pressesprecherin Südwind
+ 43 680 1583016
stefanie.marek@suedwind.at