Am Mittwoch, 30.10.2024 trafen rund 200 Interessierte im prunkvollen Ambiente des Wappensaales zusammen, um mehr über globale Ungerechtigkeit im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit zu erfahren. Unter den Gästen waren sowohl Vertreter:innen aus der Stadtverwaltung und von zivilgesellschaftlichen Organisationen als auch Botschafter:innen und internationale Expert:innen.
Karin Fischer, Leiterin des Arbeitsbereichs Globale Soziologie und Entwicklungsforschung an der Johannes Kepler Universität Linz, führte als erste Rednerin ins Thema ein. In ihrer Keynote begab sie sich auf die Spurensuche der globalen Ungleichheit und definierte dadurch Bruchlinien unserer Welt. Anhand der kritischen Warenkettenforschung deckte Fischer versteckte strukturelle Machtungleichgewichte auf. „Hinter unserem Rücken sind wir in die globalen Warenketten eingegliedert “, so Fischer. Diese folgen einem dominanten Verteilungsprinzip – denn: „wer hat, dem wird gegeben und wo viel ist, ist leicht mehr“. Die Verschuldungskrise der Länder des Globalen Südens war ebenso Thema wie der Reichtum in Steueroasen und Privatstiftungen. In diesem Sinne plädierte Fischer dazu, den Blick auf die Reichen dieser Welt zu legen.
Foliensatz Karin Fischer
Audiomitschnitt Karin Fischer:
Dem folgend beleuchtete Max Lawson, Leiter der Abteilung Ungleichheitspolitik und Interessenvertretung bei Oxfam International in Großbritannien, den Einfluss von internationalen Konzernen: Lawson präsentierte per Videoschaltung die Erkenntnisse des neuesten Berichts von Oxfam „Inequality Inc. How corporate power divides our world“. Die schier unglaubliche Akkumulation von Vermögen der Reichsten der Welt stand ebenso im Fokus, wie die Verflechtung zwischen den reichsten – meist männlichen – Einzelpersonen und der Macht der Unternehmen: Bei sieben von zehn der größten Konzerne weltweit sind Milliardäre Vorstandsvorsitzende oder deren Großaktionäre. Gleichzeitig sind Monopole bzw. Oligopole Treiber der Ungleichheit. In den genannten Lösungsstrategien dürften Vermögenssteuern daher nicht fehlen. Dass dies letzten Endes auch den Reichsten selbst ein Anliegen ist, zeige der Zusammenschluss Superreicher, so genannter Patriotic Millionaires, die sich für eine Erhöhung ihrer Steuern einsetzen, um dadurch einen stabilen Staat, ökonomische Sicherheit und sozialen Frieden zu ermöglichen.
Foliensatz Max Lawson
Audiomitschnitt Max Lawson:
Dass Ungleichheiten kein Schicksal sind, sondern das Ergebnis von Entscheidungen, war Thema des Vortrags von Tanya Cox, Direktorin von CONCORD (European Confederation of NGOs working on sustainable development and international cooperation) aus Brüssel. Demnach folgen politische Entscheidungen dem ökonomischen Wachstumsparadigma. Dieses wiederum wird jedoch verkürzt bemessen, nämlich anhand des Bruttoinlandsproduktes und damit nur anhand des materiellen Wachstums. Für einen Paradigmenwechsel ist es daher unumgänglich, unternehmerisches Handeln unter andere Vorzeichen zu stellen. In den von Cox vorgeschlagenen Lösungsstrategien schwingt die Hoffnung mit, dass menschgemachte Strukturen wandelbar sind und daher, mit genug Willen, in positive Richtungen verändert werden können.
Audiomitschnitt Tanya Cox:
Die nächsten beiden Redner:innen aus dem Globalen Süden strichen als wirkungsvollen Lösungsansatz um die großen ökologischen Ungleichheiten zu verringern, das Konzept der Agrarökologie hervor. Laut Simon Bukenya, Programmmanager in Uganda bei AFSA, der Alliance for Food Sovereignity in Africa, geht mit der Stärkung von Kleinbauern und -bäuerinnen, eine Stärkung der Resilienz für Klimaveränderungen einher und eine gestärkte Ernährungssouveränität. Denn es sind vor allem die Kleinbauern und -bäuerinnen, die die Menschheit ernähren, nicht die industrielle Landwirtschaft. Damit die Entwicklungszusammenarbeit hier einen Beitrag leisten kann, sollten laut Bukenya die Finanzierungsmechanismen überdacht werden, die derzeit vor allem große landwirtschaftliche Strukturen bevorzugen.
Foliensatz Simon Bukenya
Audiomitschnitt Simon Bukenya:
Wortstark strich auch Melissa Murwira, Managerin der Organisation Young Volunteers for Environment in Simbabwe die Wichtigkeit von landwirtschaftlichem Know-How hervor. Die Überwindung von generationenübergreifenden Ungleichheiten ist nach Murwira nur dann erfolgreich, wenn Ältere ihr Wissen weitergeben und Jüngere die Verantwortung übernehmen – und dabei ernst genommen werden. Junge Menschen werden oft an den Tisch gebeten, nur um sie dabei zu haben. Diese Oberflächlichkeit gilt es zu überwinden und stattdessen einen echten Austausch zu ermöglichen. Murwira plädiert dafür die Jugend nicht als vielzitierte sprichwörtliche „Zukunft“ anzusehen, sondern schon heute als wichtige Entscheidungsträger:innen der Gegenwart miteinzubeziehen. Bestärkt vom im Oktober stattgefundenen „1.000 Youth Summit“ in Addis Abbeba, den Murwira maßgeblich mitgestaltete, schließt sie mit den hoffnungsvollen Worten: „Wir brauchen unsere eigenen Lösungen und wir sind bereit zu handeln!“
Foliensatz Melissa Murwira
Audiomitschnitt Melissa Murwira:
Als letzte Rednerin des Abends brachte Marisa Kröpfl, Programmkoordinatorin bei Licht für die Welt Österreich ein Good Practice-Beispiel aus der EZA aufs Podium, das inklusive ländliche Entwicklung als Erfolgsrezept für die Überwindung von Ungleichheiten aufzeigt. Das in vier Ländern wirkende Projekt SPARK zielt darauf ab, Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zu landwirtschaftlichen Entwicklungsprogrammen zu sichern. Zusätzlich trägt das dadurch erzeugte stabile Einkommen in ländlichen Strukturen zum Abbau von Ungleichheiten bei. Der Ansatz, die Menschen selbst zu fragen, was sie denn brauchen, anstatt vorgefertigte Lösungen zu liefern, sei ein entscheidender Erfolgsfaktor von SPARK und aktiviert die kreativen Ressourcen aller Beteiligten. Kröpfl: „Wenn man einmal angefangen hat, Lösungen zu finden, hört man auch nicht mehr auf.“
Foliensatz Marisa Kröpfl
Audiomitschnitt Marisa Kröpfl:
Fazit und Gemeinsamkeit aller Vorträge ist die strukturelle Ebene globaler Ungleichgewichte, die nur durch politischen Willen und zivilgesellschaftlichen Zusammenschluss gemeinsam verändert werden kann. Der Kampf gegen globale Ungleichheit ist ein großer und schwieriger, aber für eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten unumgänglich.
Audiomitschnitt der Fragerunde: