Wien/Linz, 24.9.2020: Spätestens seit Herbst 2015 ist das Thema „Migration“ in der österreichischen Politik sowie auf EU-Ebene allgegenwärtig. Dementsprechend stürmisch wird es auch in den Medien diskutiert. Wie sie das Migrationsklima im Land prägen, diskutierten Expertinnen und Experten aus Medien, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf Einladung der entwicklungspolitischen Organisation Südwind gestern im Rahmen einer eintägigen Konferenz in Linz.
Mit den Worten „Flucht ist ein Hilferuf – Migration eine Bereicherung für alle“ eröffnete Rubina Möhring, Präsidentin der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen Österreich die Südwind-Konferenz. Sie erklärte: „Menschen, die fliehen, verlassen ihre Länder nicht, weil sie diese verlassen wollen, sondern weil sie diese verlassen müssen. Dies wenigstens zur Rettung ihres Lebens und das ihrer Angehörigen, ihrer Kinder. Flüchtlinge aus Krisengebieten sind Menschen in akuter Lebensgefahr. Sie sind weder illegale Wirtschaftsflüchtlinge, noch illegale Migrantinnen und Migranten.“ Länder, die Flüchtlinge aufnähmen, profitierten auch von diesen, argumentierte Möhring. Sie hob die besondere humane Verantwortung Österreichs für heutige Flüchtlinge, angesichts der vielen Menschen, die während der Nazi-Diktatur noch fliehen konnten bzw. auch all jener, die in den damaligen Nazi-Konzentrationslagern mehr oder weniger industriell ermordet wurden, hervor.
Im Rahmen der Konferenz wurde unter anderem auch die Frage gestellt, welche Stimme Menschen mit Migrationshintergrund bekommen und wer sie in der medialen Berichterstattung repräsentiert. Fritz Hausjell, Stv. Institutsvorstand für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, dazu: „Wir haben kein Monitoring, was die Diversität in den Redaktionen anbelangt. Das wäre aber im Interesse der Leistungsfähigkeit von Medien wichtig. Denn: Es geht einerseits um die Frage der Zugänge zu den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen, die Redaktionen sicherstellen sollten und andererseits auch um das, was eine Gesellschaft verspricht, nämlich dass alle ähnliche Chancen haben.“
Judith Kohlenberger, Migrationsforscherin der WU Wien, hob hervor, dass es in der Berichterstattung über Migration wesentlich sei, sich auf Tatsachen zu stützen. Das beinhalte nicht nur aussagekräftige, überprüfte Daten aus vertrauenswürdigen Quellen zu verwenden, sondern auch, diese in Bezug zu setzen. Oft liefere eine einzelne, isolierte Statistik ein verzerrtes oder unvollständiges Bild. „Es liegt an der journalistischen Aufbereitung, entsprechende Einordnungen, Hintergründe und Kontextualisierung zu liefern sowie die menschlichen Geschichten hinter den Zahlen zu zeigen“, erklärte Kohlenberger.
Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt der Konferenz war die mediale Berichterstattung über Migration und Flucht, was sie bei unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen bewirkte und welche Mitverantwortung die Politik trägt. Emran Feroz, freier Journalist, Blogger und Buchautor, dazu: „Der mediale Alltag macht deutlich, dass Migrantinnen und Migranten, sowie Geflüchtete regelmäßig kriminalisiert werden. Als jemand mit afghanischen Wurzeln weiß ich sehr wohl, wie man sich dabei fühlt. Immerhin ist ‚der Afghane‘ dank Krone und Co. zu einem österreichischen Feindbild geworden“.
Dass Medien Bilder von Migrantinnen und Migranten gestalten und sie sowohl „Konversationsmanager“ wie auch „Storyteller“ sind, unterstrich Marie-Edwige Hartig, Psychologin und Politikerin. Sie leisten einen gewichtigen Betrag in Bezug auf die Wahrnehmung von Sachverhalten und nutzten die Macht Gefühle, Gedanken und Verhalten in unserer kollektiven Gesellschaft zu beeinflussen.
Julia Rungg, Südwind-Referentin und Organisatorin der Veranstaltung, fügt abschließend hinzu: „Medien haben eine tragende Rolle wenn es darum geht, wie die Mehrheitsgesellschaft Migrantinnen, Migranten und geflüchtete Menschen wahrnimmt. Wir brauchen mehr Menschlichkeit und weniger Vorurteile in der Gesamtgesellschaft. Die Medien können und müssen hier ihren Beitrag leisten.“
Im Rahmen eines Runden Tisches, der am Vormittag vor der Konferenz stattfand, hatten bereits zahlreiche weitere Expertinnen und Experten den medialen Umgang mit Geflüchteten, Migrantinnen und Migranten (inklusive der aus dem Projekt Ciak MigrACTION ausgearbeiteten Empfehlungen zur Berichterstattung über Flucht und Migration), welche Rolle Migrationsbeauftragte bei Medien – nach deutschen Vorbild – auch in Österreich spielen könnten, sowie Begrifflichkeiten und ihre Bedeutung im Kontext von Berichterstattung zu Flucht und Integration diskutiert. Aus dieser Diskussion werden nun Forderungen an die Medien und Politik erarbeitet.
Fotos zum Download: www.suedwind.at/pressefotos
Rückfragehinweis:
Theresa Gral, Südwind Pressesprecherin, Mobil: +43 650 375 1987, E-Mail: theresa.gral@suedwind.at
Die Konferenz findet im Rahmen des EU-Projektes CIAK MigrACTION statt, das in Österreich von Südwind durchgeführt wird. Ziel des EU-Projektes ist es, zu einer Perspektivenvielfalt in den Medien beizutragen und so dominierenden Negativschlagzeilen zu Flucht und Migration entgegen zu halten. Näheres unter: www.suedwind.at/ciak-migraction
Südwind setzt sich als entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisation seit 40 Jahren für eine nachhaltige globale Entwicklung, Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen weltweit ein. Durch schulische und außerschulische Bildungsarbeit, die Herausgabe des Südwind-Magazins und anderer Publikationen thematisiert Südwind in Österreich globale Zusammenhänge und ihre Auswirkungen. Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen, Kampagnen- und Informationsarbeit, engagiert sich Südwind für eine gerechtere Welt. www.suedwind.at