Einleitung

Was ist Widerstand?

Politischer Widerstand bedeutet, sich einem als ungerecht empfundenen Herrschaftssystem zu widersetzen –  mit dem Ziel, es zu verändern, es zu stürzen oder bestimmte Werte, gesellschaftliche Strukturen usw. zu erhalten, die das Herrschaftssystem zu beseitigen versucht.

In der Geschichte gibt es viele Beispiele für Widerstand gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung:

  • Der Kampf gegen die Sklaverei hat eine sehr lange Geschichte. Schon im alten Rom gab es Sklavenaufstände (der berühmteste fand 74-71 v. Chr. unter Spartakus statt), auch in Nord- und Südamerika gab es Widerstand gegen die Sklaverei, besonders bekannt ist der Sklavenaufstand in Haiti im Jahr 1791.
  • Sehr bekannt ist auch der gewaltlose Widerstand von Mahatma Gandhi, der sich gegen die britische Kolonialherrschaft in Indien auflehnte.
  • Der Kampf der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den USA, die in den 1950er und 1960er Jahren für die Rechte der schwarzen Amerikaner kämpfte, wird ebenfalls häufig erwähnt.
  • Der Kampf für das Frauenwahlrecht wurde in vielen Ländern der Welt geführt, am bekanntesten sind die Sufragetten, die in England für ihre Rechte kämpften.
  • Der Widerstand gegen Nationalsozialismus und Faschismus war breit gefächert und wurde von vielen verschiedenen Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen in vielen Ländern geführt.

Auch heute gibt es Widerstandsbewegungen, die zum Teil lokal oder regional, zum Teil sogar weltweit aktiv sind. Beispiele:

  • Im Iran gibt es eine große, landesweite Widerstandsbewegung. Die Menschen kämpfen gegen die Unterdrückung der Frauen und im Allgemeinen gegen die strengen Regeln, die von der Sittenpolizei (Guidance Patrol) (gewaltsam) durchgesetzt werden.
  • In vielen Ländern der Welt gibt es Widerstandsbewegungen, die für die Unabhängigkeit, Abspaltung oder Autonomie bestimmter Gebiete kämpfen.
  • Die weltweiten Klimaproteste sind zum Teil in globalen Bewegungen organisiert, z. B. Fridays for Future oder Last Generation, zum Teil auch regional oder national.
  • Die indigenen Mapuche im Süden Chiles leisten gewaltfreien Widerstand gegen den chilenischen Staat und fordern ihre Territorien zurück. Ein kleiner Teil der Mapuche kämpft für die Rückgabe ihrer Gebiete mit Waffengewalt.
  • Die Bewegung der landlosen Landarbeiter in Brasilien (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra) leistet gewaltlosen Widerstand gegen den kapitalistischen Großgrundbesitz - zum Teil durch Landbesetzungen, um Territorien für sich zu beanspruchen. Die Ungleichheit beim Landbesitz ist in Südamerika extrem: Im Durchschnitt besitzen 1 % der reichsten Landbesitzer über 50 % der landwirtschaftlichen Nutzflächen.

In jedem Land und zu jeder Zeit gab es unzählige Beispiele für Widerstandsbewegungen. Viele dieser Bewegungen waren sehr erfolgreich, haben sich der Unterdrückung widersetzt und Verbesserungen für die betroffenen Menschen erreicht.

Demokratie und Widerstand

Die Tatsache, dass wir heute in einer Demokratie leben, ist nicht selbstverständlich. Die Demokratie als Staatsform ist nur entstanden, weil Menschen für ihre Rechte kämpften, die Entwicklung ihrer Gesellschaften mitbestimmen wollten und sich gegen Unterdrückung wehrten. Alle demokratischen Errungenschaften, von denen wir heute profitieren, wurden daher irgendwann von engagierten und mutigen Menschen für uns erkämpft (z.B. in der Französischen Revolution, im Kampf um das Frauenwahlrecht oder im Kampf um die Rechte der Arbeiter*innen).

Dennoch leben weniger als die Hälfte aller Menschen auf der Welt in einer Demokratie (etwa 45 Prozent). Und die Errichtung einer Demokratie reicht nicht aus, denn auch in einer Demokratie kann es Ungerechtigkeiten geben. Außerdem kann es auch in einer Demokratie Rückschritte geben. Deshalb ist es wichtig, dass die Menschen sich für ihre Anliegen einsetzen, damit ihnen erkämpfte Rechte nicht wieder genommen werden.

Beispiele für Widerstand und Protest in einer Demokratie sind:

  • Widerstand gegen Diskriminierung, z. B. der Kampf von Menschen mit Behinderungen für Inklusion (z. B. durch Straßenblockaden oder Demonstrationen)
  • Der Kampf von Frauen für gleiche Rechte und gegen sexuellen Missbrauch
  • Der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen, z. B. das Recht auf Urlaub und Erholung, das Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, das Recht auf einen gerechten Lohn usw.
  • Der Kampf gegen Rassismus

Eine Besonderheit der Demokratie ist, dass es ein Recht auf Widerstand und Protest gibt. Die gesetzlichen Regelungen sind in jedem Land anders, aber in funktionierenden Demokratien sind bestimmte grundlegende Menschenrechte immer garantiert, z.B.:

  • Freiheit der Meinungsäußerung
  • Religionsfreiheit
  • Pressefreiheit
  • Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit
  • Wahlrecht
  • Recht zu demonstrieren

Das Recht auf Widerstand und Protest ist aus mehreren Gründen wichtig:

  • Einerseits geht es darum zu gewährleisten, dass alle Menschen ihre Anliegen vorbringen und ihre Interessen gegenüber dem Staat vertreten können.
  • Andererseits gilt es zu verhindern, dass sich eine Demokratie allmählich verändert und schließlich zu einer Diktatur wird (Bertolt Brecht: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“)

Arten von Widerstand

Widerstand hat viele Facetten und Formen. Es gibt gewaltlosen Widerstand, Widerstand, der Gewalt einschließt, offenen/öffentlichen Widerstand oder Widerstand im Untergrund, aktiven und passiven Widerstand, Widerstand durch Einzelpersonen und in einer Gruppe.

Beispiele für gewaltlosen Widerstand

  • Briefe an die Presse oder an Politiker
  • Lieder
  • Demonstrationen
  • Straßentheater
  • Mahnwachen
  • Streiks
  • Ziviler Ungehorsam (Verweigerung, Steuern zu zahlen, Demonstrationen ohne Genehmigung, ...)
  • Sammeln von Beweisen für den Holocaust im Nationalsozialismus, z. B. in Form von Fotos, Zeichnungen, Briefen, ...
  • Reden und Predigten
  • Verweigern des Militärdienstes
  • Blockaden (Straßenblockaden, Bahngleis-, Flugzeugblockaden)
  • Besetzungen (Hausbesetzungen, Landbesetzungen, Baumbesetzungen mit Baumhäusern)

Ziviler Ungehorsam kann als Sammelbegriff für gewaltlosen Widerstand betrachtet werden. Er umfasst Protestformen, die zu der Zeit und an dem Ort, in dem sie stattfinden, als illegal gelten, aber legitim sind, weil sie für höhere moralische Werte kämpfen und Gesetzesverstöße in Kauf genommen werden können (Verweigerung des Militärdienstes, Missachtung rassistischer Gesetze, Blockieren eines Flugzeugs, das Flüchtlinge in ihre Heimatländer abschiebt, wo ihnen Folter oder Tod drohen, Überschreiten einer Landesgrenze ohne die erforderlichen legalen Papiere, um ein besseres Leben für sich oder seine Familie zu erreichen usw.).

Beispiele für gewaltsamen Widerstand

  • Sachbeschädigung, z. B. Sabotage
  • Attentate und Anschläge
  • Kämpfen im bewaffneten Widerstand, zum Beispiel bei den Kärntner Slowenischen Partisanen
  • Selbstmord: Der Vorsitzende des Judenrats im Warschauer Ghetto, Adam Czerniaków, wählte eine drastische Form des Widerstands. Er weigerte sich, jeden Tag 6000 Juden aus dem Ghetto an die Deutschen zu übergeben. Weil er selbst dadurch Schreckliches von den Nationalsozialisten zu erwarten hatte, nahm sich Czerniaków das Leben.

Innerhalb des gewaltsamen Widerstands muss zwischen Gewalt gegen Dinge und Gewalt gegen Menschen unterschieden werden. Viele soziale Bewegungen haben Gewalt gegen Dinge als Mittel eingesetzt, um für ihre Rechte zu kämpfen. Die Suffragetten zündeten beispielsweise Briefkästen an und zerschlugen Schaufenster, um auf ihre Sache aufmerksam zu machen. Gewalt gegen Menschen ist moralisch komplex zu bewerten, kann aber auch gerechtfertigt sein, wenn sie zur Selbstverteidigung oder im Kampf gegen ein unterdrückerisches Regime eingesetzt wird, wie z. B. im antikolonialen Widerstand in Afrika in den 1960er Jahren. Es gibt keine allgemeine Regel, nach der eine bestimmte Form des Widerstands als legitim oder illegitim bezeichnet werden kann. Jeder Fall muss in seinem spezifischen historischen und sozio-politischen Kontext analysiert werden.

Widerstand im Nationalsozialismus und Faschismus

Der Widerstand gegen Nationalsozialismus und Faschismus war sehr breit gefächert, die Gründe für den Widerstand waren unterschiedlich. Es gab sowohl organisierten Widerstand als auch Widerstand von Einzelpersonen. Es gab Widerstand aus allen sozialen Schichten und politischen Lagern in unterschiedlichen Formen:

  • Organisierter Widerstand von politischen Gruppen
  • Organisierter Widerstand durch kirchliche Organisationen
  • Lokale Widerstandsgruppen, z.B. Studierende
  • Widerstand innerhalb der Wehrmacht
  • Widerstand aus dem Exil, Widerstand im eigenen Land, transnationaler Widerstand
  • Hilfe für verfolgte Bevölkerungsgruppen

In der Zeit des Nationalsozialismus gab es sehr strenge Vorschriften und Verbote, eine massive Einschränkung der Persönlichkeitsrechte, so dass selbst einfache, normale Alltagsaktivitäten wie das Radiohören zu einem Akt des Widerstands werden konnten. Hier sind einige Beispiele für Widerstand während der NS-Zeit:

  • Hören von verbotenen ausländischen Radiosendern
  • Verbreitung von Nachrichten aus verbotenen alliierten Radiosendern
  • Verstecken von Kritik in Liedern und „Flüsterwitzen“
  • Verfassen von Flugblättern, die über den Verlauf des Krieges und die Gewaltverbrechen der Nationalsozialisten informierten
  • Hilfe für andere, die bedroht waren
  • Verfolgte verstecken, vor allem Juden, aber auch Roma und Sinti, Menschen mit Behinderungen, Homosexuelle, politisch Andersdenkende, Widerstandskämpfer*innen, Deserteure, entkommene Kriegsgefangene
  • Gesten des Mitgefühls für Verfolgte (z.B. Wasser und Essen für Menschen in Deportationszügen oder Kriegsgefangene)
  • Passiver Widerstand, z. B. durch bewusst langsames Arbeiten
  • Verteidigung des eigenen Lebensstils durch bestimmte Kleidung oder Gewohnheiten wie Musikhören oder Tanzen (z.B. Edelweißpiraten in Köln, Leipziger Meuten, Hamburger Swing Youth, Wiener Schlurfs)

Warum wird jemand zum Widerstandskämpfer?

Viele Widerstandskämpfer*innen wurden verfolgt, inhaftiert, gefoltert und manchmal hingerichtet oder in ein Konzentrations- oder Arbeitslager gebracht. Widerstand kann in nicht-demokratischen und gewalttätigen Regimen lebensbedrohlich sein. Jeder, der gegen das Regime ist, muss sich genau überlegen, was er sich zutraut und wie er sich schützen kann. Auch für Familie und Freund*innen kann es gefährlich sein, wenn sich jemand in einer Widerstandsbewegung befindet.

Dennoch entscheiden sich viele Menschen, ihr eigenes Leben und das ihrer Familien und Freunde zu riskieren. Was motiviert sie dazu? Hier sind ein paar Beispiele:

Sophie Scholl, Deutschland (1921-1943):

  • "Was wir sagen und schreiben, ist das, was so viele denken. Sie trauen sich nur nicht, es zu sagen."
  • "Man kann nicht nur dagegen sein, man muss etwas tun."
  • "Das Gesetz ändert sich, das Gewissen nicht."
  • "Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den ihr um euer Herz gelegt habt!"
  • „Ich kann es nicht begreifen, dass nun dauernd Menschen in Lebensgefahr gebracht werden von andern Menschen. Ich kann es nie begreifen und ich finde es entsetzlich. Sage nicht, es ist fürs Vaterland.“

Ceija Stojka, Österreich (1933-2013):

  • "Ich muss erzählen, wie die Roma gelebt haben und wie sie leben, und was mit ihnen passiert ist, überall, wo wir damals waren, die Orte der Roma, wo sie kampiert haben, die habe ich noch im Kopf. Ich habe diese Bilder immer noch in mir. Dann bringe ich sie hervor. Natur ist mein Leben, ich bleibe gerne bei einem Baum stehen."

Rosa Jochmann, Österreich (1901-1994):

  • "Meine Erfahrungen im Konzentrationslager haben mich gelehrt, meine Mitmenschen zu verstehen, auch wenn sie ein anderes Weltbild haben. Das Einzige, was wichtig ist, ist ein anständiger Charakter."

Niemals vergessen!

Warum sollte ich mich heute mit dem Widerstand aus einer anderen Zeit beschäftigen? Was kann ich aus der Geschichte für das Hier und Jetzt lernen? Was kann getan werden, damit sich Verbrechen wie der Holocaust nicht wiederholen? Was haben die Überlebenden zu diesen Fragen zu sagen?

Simon Wiesenthal:

„Überleben ist ein Privileg, das verpflichtet. Ich habe mich immer wieder gefragt, was ich für die tun kann, die nicht überlebt haben. Die Antwort, die ich für mich gefunden habe (und die keineswegs die Antwort jedes Überlebenden sein muß), lautet: Ich will ihr Sprachrohr sein, ich will die Erinnerung an sie wachhalten, damit die Toten in dieser Erinnerung weiterleben können.
Aber wir, die Überlebenden, sind nicht nur den Toten verpflichtet, sondern auch den kommenden Generationen: Wir müssen unsere Erfahrungen an sie weitergeben, damit sie daraus lernen können. Information ist Abwehr.“

Quelle: vwi.ac.at

Darüber reden oder schweigen?

Manche Menschen, die den Holocaust und den Nationalsozialismus überlebt haben, wollten danach nichts mehr von diesen schrecklichen Ereignissen hören und sprachen nur selten über ihre Erlebnisse. Das ist verständlich, denn es war für alle eine schreckliche Zeit. Andere aber haben gesagt, dass es wichtig ist, dass sie erzählen, was passiert ist, damit es nicht wieder passiert. Wir nennen diese Menschen Zeitzeugen. Viele von ihnen sagen, dass das Wichtigste ist, dass wir uns gegen Ungerechtigkeit wehren müssen, dass wir wachsam sein und uns für die Demokratie einsetzen müssen.

Was bedeutet es heute, wachsam zu sein? Was sind die Gefahren für unsere Demokratien?

  • Keine einzige Demokratie ist perfekt. In jeder Demokratie gibt es Ungerechtigkeiten. Es gibt Menschen, die diskriminiert werden. Es gibt Gesetze, die ungerecht sind. Es gibt Dinge, die verbessert werden müssen.
  • Es gibt politische Parteien der extremen Rechten, die Diskriminierung und Gewalt gegen bestimmte Teile der Bevölkerung fördern. Sie arbeiten daran, die Demokratie in einen autoritären Staat zu verwandeln und die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit abzuschaffen.

Wie können wir uns am besten vor diesen Gefahren schützen?

Sich informieren:

Das Recht auf Information ist ein Menschenrecht. Jeder hat das Recht, über alle politischen Entscheidungen umfassend informiert zu werden. Einerseits müssen die Informationen von der Regierung und dem Parlament bereitgestellt werden, aber auch unabhängige Medien sind notwendig. Wenn wir uns dafür interessieren, wie unsere Demokratie funktioniert, können wir Informationen besser einordnen.

Sich eine eigene Meinung bilden:

Informationen sind die wichtigste Grundlage für jeden Menschen, sich eine eigene Meinung zu bilden und zu überlegen, ob er mit den Maßnahmen und Vorschlägen der Politik einverstanden ist oder nicht. Diese Überlegungen sind dann z.B. die Grundlage dafür, welche Partei ich wähle.

Partizipation:

Es geht aber nicht nur darum, sich zu informieren und eine eigene Meinung zu haben. Demokratie braucht Menschen, die sich beteiligen. Auf ganz unterschiedliche Weise:

  • Sich für andere einsetzen, z.B. wenn jemand diskriminiert wird, wenn man eine Ungerechtigkeit beobachtet
  • Mit anderen über beobachtete Ungerechtigkeiten sprechen und sie ggf. dokumentieren (z. B. Handyfoto/-video)
  • Zu einer Demonstration oder Kundgebung gehen, wenn mir etwas sehr wichtig ist oder ich mich mit wichtigen Forderungen anderer Menschen solidarisieren möchte
  • Sich mit Gleichgesinnten vernetzen
  • Politische Gruppen gründen
  • Einem Verein beitreten, z.B. Rettungsdienst, Feuerwehr, Kulturverein
  • Einen Leserbrief an eine Zeitung schreiben, wenn mich etwas aufregt
  • Sich mit Politiker*innen austauschen (z.B. Stadtteilforum, Sprechstunden der Bezirks- und Stadträte)
  • Sich an Petitionen und Volksabstimmungen beteiligen
  • Wählen gehen –  wenn man die Möglichkeit dazu hat (Alter, Staatsbürgerschaft)
  • Einer Partei oder einer Aktivist*innengruppe beitreten